Skip to content

Kann Gebäudeschimmel krank machen? Welche Art von Befall ist gefährlich? Mikrobiologin Regine Szewzyk erklärt, welche Beschwerden von Schimmelpilzen herrühren können und und warum es keine sporenfreie Luft gibt.

SPIEGEL ONLINE: Wie gefährlich ist Schimmel in Innenräumen?

Szewzyk: Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) haben die Bewohner von feuchten, verschimmelten Wohnungen ein erhöhtes Risiko für Atemwegsinfektionen und Asthma. Außerdem können Schimmelsporen Allergien auslösen, die Symptome sind dann wie beim Heuschnupfen.

SPIEGEL ONLINE: Muss man dazu schon eine Schimmelpilzallergie haben – oder entwickelt man diese, wenn man Gebäudeschimmel ausgesetzt ist?

Szewzyk: Es ist nicht möglich, festzustellen, ob man durch Schimmel in Innenräumen eine Allergie gegen Schimmelpilze entwickelt hat, weil Schimmelpilze auch in der Natur vorkommen. Bei jedem Waldspaziergang zum Beispiel atmen Sie eine Menge Schimmelpilzsporen ein. Wir sind ständig Schimmelpilzen ausgesetzt, es gibt keine sporenfreie Luft.

SPIEGEL ONLINE: Welche gesundheitlichen Schäden kann Gebäudeschimmel verursachen?

Szewzyk: Zum Beispiel das Mucus-Membran Irritation-Syndrom, kurz MMI, bei dem die Augen brennen und tränen und die Nase läuft. Die Symptome ähneln einer allergischen Reaktion, sind aber durch nicht-allergische Vorgänge ausgelöst.

SPIEGEL ONLINE: Schimmel auf Lebensmitteln ist besonders wegen seiner Mykotoxine, den Schimmelpilzgiften, gefürchtet. Kann die Atemluft durch Mykotoxine belastet sein?

Szewzyk: Für Vergiftungserscheinungen sind die Konzentrationen an Mykotoxinen in der Luft in Innenräumen zu gering.

SPIEGEL ONLINE: Gibt es andere Risiken durch Schimmelbefall in der Wohnung?

Szewzyk: Schimmelpilze sondern auch flüchtige Substanzen ab, die zum Beispiel zum typischen Schimmelgeruch führen. Obwohl deren Konzentrationen wohl zu gering sind, um toxisch zu wirken, können sie einen Effekt haben: Es kann schon körperliche Symptome verursachen, wenn man sich von dem Geruch belästigt fühlt.

SPIEGEL ONLINE: Bedeutet das, wenn es nicht nach Schimmel riecht, ist der Schimmelbefall nicht schädlich?

Szewzyk: Nein, da gibt es keinen Zusammenhang. Mancher Schimmelbefall riecht nicht und kann trotzdem schädlich sein. Man darf sich bei Schimmelbefall auch nicht immer nur auf die Wirkung der Schimmelpilze beschränken. Es gibt Hinweise, dass Bakterien, wenn sie mit bestimmten Schimmelpilzen zusammenwachsen, besonders gesundheitsschädlich sind. An einer feuchten Wand oder einem feuchten Gipskarton wächst ein ganzer Zoo von mikroskopisch kleinen Lebewesen. Bakterien, Pilze, winzige einzellige Tierchen und Milben, die allesamt Partikel und Subtanzen an die Raumlauft abgeben.

SPIEGEL ONLINE: Können Schimmelpilze Infektionen auslösen?

Szewzyk: Manche Schimmelpilze können in der Lunge wachsen und sehr gefährliche Erkrankungen verursachen, die häufig zum Tod führen. Aber solche Infektionen kommen nur bei Menschen vor, deren Immunsystem sehr stark unterdrückt ist, etwa nach Organtransplantationen.

SPIEGEL ONLINE: Kann ein kleiner Schimmelfleck im Zimmer, etwa von der Größe eines Zwei-Euro-Stücks, krank machen?

Szewzyk: Eine so kleine Fläche ist ungefährlich, weil sie sich kaum auf die Konzentration von Schimmelbestandteilen in der Raumluft auswirken kann. Für normalempfindliche Personen sind auch Schimmelflecken auf Fugen im Bad kein gesundheitliches Problem. Je größer die Fläche, desto kritischer ist es.

SPIEGEL ONLINE: Kann man messen, ob Schimmel gesundheitsgefährdend ist?

Szewzyk: Messungen sind nur sinnvoll, um zu sehen, ob es überhaupt eine Schimmelpilzquelle gibt und nicht um zu beurteilen, wie stark die Belastung für die Bewohner ist. Das können wir gar nicht beurteilen. Wir wissen nicht, ab welcher Luft-Konzentration Schimmelbestandteile gesundheitsschädlich sind. Wenn man den Schimmelbefall sieht, braucht man nicht mehr zu messen, sondern sollte ihn möglichst schnell beseitigen.

SPIEGEL ONLINE: Ist schnell schimmelndes Brot ein Hinweis auf einen Schimmelbefall in Innenräumen?

Szewzyk: Das sagt nichts darüber aus, ob in einem Raum eine Schimmelpilzquelle ist. Brotschimmel hängt von der Feuchtigkeit ab – im Winter wird es seltener schimmeln als im Sommer, weil bei warmen Temperaturen die Luftfeuchtigkeit höher ist und mehr Schimmelpilzsporen in der Luft sind.

SPIEGEL ONLINE: Angenommen, Schimmel ist unter der Tapete – können Sporen durch die Tapete in die Luft kommen?

Szewzyk: Die Sporen dringen nicht durch Tapeten und Farbe, aber die flüchtigen Substanzen, die die Pilze absondern. Oft kommt es zuerst zu Krankheitssymptomen – und erst dann wird der Schimmel gesucht und gefunden. Das heißt, auch nicht direkt sichtbarer Schimmelbefall kann krank machen. Auch bei der Bekämpfung darf man sich nicht allein auf die Sporen konzentrieren. Eine Barriere für die Schimmelpilzsporen zu bauen, reicht nicht. Der Schimmelbefall muss entfernt werden – und damit werden alle Probleme auf einmal beseitigt.

SPIEGEL ONLINE: Sind Schimmelpilze schädlich für Topfpflanzen?

Szewzyk: Es gibt Schimmelpilze, die Pflanzen befallen können. Aber das sind andere Arten als die, die in Innenräumen bei Feuchteschäden wachsen. Umgekehrt können Topfpflanzen aber eine Quelle von Schimmelpilzen sein, weil in der feuchten Blumenerde oft Schimmelpilze wachsen.

SPIEGEL ONLINE: Ist schwarzer Schimmel besonders gefährlich?

Szewzyk: Früher sagte man, Schwarzschimmel sei schädlicher als andersfarbiger Schimmel, da es einige schwarze Schimmelpilze gibt, die Toxine bilden oder Infektionen auslösen können. Heute werden aber alle Schimmelpilze gleich beurteilt, was ihre Gesundheitsgefahr im Innenraum angeht.

 

Regine Szewzyk leitet das Fachgebiet „Mikrobiologische Risiken“ im Umweltbundesamt, das den „Ratgeber: Schimmel im Haus“ verantwortet. Die Mikrobiologin hat an der Uni Konstanz promoviert und danach an der Uni Göteborg und am seuchenhygienischen Institut in Stockholm geforscht.

http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/schimmel-wie-gefaehrlich-sind-schimmelflaechen-in-wohnraeumen-a-995889.html

An den Anfang scrollen